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Gedenken an Fam. Blumenthal - Ein Bericht

Vor 80 Jahren: Progromnacht am 9. November 1938

Sie waren unsere Nachbarn – irgendwann waren sie einfach weg

 Es war eine bewegende und rundum gelungene Veranstaltung zum Gedenken an die Reichsprogromnacht, die vor 80 Jahren vom 9. auf den 10. November 1938 Beginn der massenhaften Verfolgung der Juden war und 3 Jahre später zum Holocaust führte – diesem Gefühl gaben die ca. 70 anwesenden Besucher im Medientreff – Gemeindebücherei Rodenbach Ausdruck. Herr Pfarrer Schwarz trug auf ausdrucksvolle und einfühlsame Weise eine Ausarbeitung der heutigen Medizinstudentin Christina Mayer aus Oberrodenbach vor, die sie 2011 im Rahmen ihres Abiturs am Grimmelshausen Gymnasium Gelnhausen erstellte.

Geachtet und geschätzt,
geächtet und ermordet 

Die Lebensgeschichte der Familie Dr. Blumenthal aus Rodenbach stellt mit vielen Bildern und amtlichen Belegen beispielhaft für viele und sehr konkret das Schicksal dieser geachteten Familie in den Zusammenhang mit der menschenverachtenden Politik der Nationalsozialisten, der 1933 beginnenden Behinderung, Schikanen und der durch immer neue Verordnungen begründeten vollständigen Enteignung der jüdischen Bevölkerung zugunsten des „3. Reichs“, das dadurch den II. Weltkrieg finanzierte, bis zu der endgültigen Ermordung in den Vernichtungslagern. Umrahmt von einfühlsamer Musik des Frankfurter Duos Klezmer wurde die Zeit und das Erleben unserer jüdischen Mitbürger noch einmal greifbar – sie waren unsere Nachbarn – irgendwann waren sie einfach weg. Walter Geppert, der mit dem Geschichtsverein Rodenbach die gleichnamige Broschüre herausgab und in einer weiteren Veröffentlichung den Schicksalen aller 44 jüdischen Mitbürger Rodenbachs nachspürte (zu beziehen über den Geschichtsverein), hatte die 92-jährige Frau Marie Peter mitgebracht, die erzählte, wie sich Dr. Julius Blumenthal 1931 um sie und ihre Schwester als kleine Mädchen mit einer Diphtherie-Erkrankung gekümmert hat. Ohne ihn würden sie heute nicht mehr leben. „Er war immer da, wenn man ihn brauchte“, so auch eine andere Zeitzeugin in einem Tondokument. Und Herr Strauss berichtete bewegt, was ihm seine Mutter und seine Oma von 1941 erzählten, als Dr. Blumenthal ja bereits nicht mehr praktizieren durfte: er schlich sich bei Dunkelheit durch die Gärten, um ihn, den todkranken kleinen Jungen, zu behandeln und damit das Leben zu retten.

Eine große Buchausstellung spannte einen Bogen von der Novemberrevolution in Hanau vor 100 Jahren, der Geschichte der Anne Frank, Schindlers Liste, aber auch lesenswerten nicht so bekannten Veröffentlichungen bis zu den lebendigen Geschichten, die sich hinter den „Stolpersteinen“ z.B. in Gelnhausen verbergen und regten zur weiteren Beschäftigung mit der Geschichte an. Christina Mayer schrieb auf die Frage „was würden Sie der heutigen jungen Generation raten?“: „Ich kann ihr nur raten, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Denn aus dem Unrecht, was damals geschehen ist, können wir lernen und sollten nach allen Kräften versuchen zu verhindern, dass es sich wiederholt…..insbesondere im Hinblick auf rechte Parteien in Deutschland, in Europa, die jüngst mehr und mehr an Zulauf gewinnen. Das Dritte Reich wäre nicht möglich gewesen, wenn es nicht so viele Unterstützer im Kleinen, in den Dörfern und Gemeinden gegeben hätte………“.

Die Gemeinde Rodenbach hat 2012 eine Gedenktafel für die jüdischen Nachbarn an der Mauer zum Hof des Heimatmuseums angebracht. Die Anregung von Herrn Pfarrer Schwarz, dort, wo die heutigen Bewohner damit einverstanden sind, auch an den Häusern unserer ehemaligen jüdischen Nachbarn Gedenkplaketten anzubringen stieß wie auch die Idee, eine Straße im Ort nach Dr. Julius Blumenthal zu benennen, auf viel Beifall.

Wir bedanken uns bei allen Besuchern, Akteuren und Helfern ganz herzlich für einen bewegenden Abend, der viel Stoff zum Nachdenken und Reden hinterlässt! Und die Verantwortung, einem zunehmenden Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, „völkischem“ Gedankengut und einem gesellschaftlichen Klima der Ausgrenzung und Abschottung konsequent Widerstand entgegen zu setzen!

Renate Kuhn
Freundeskreis Medientreff - Gemeindebücherei Rodenbach e.V.

Mitveranstalter waren:
Gemeinde Rodenbach, Kirchengemeinden in Rodenbach, Geschichtsverein Rodenbach e.V., Demokratie leben Erlensee-Rodenbach

 

 

 

Anbei sechs Bilder von Gedenkabend im Medientreff Rodenbach: